Was eine Faszie ist, habe ich bereits in den 80er Jahren im Rahmen meines Medizinstudiums in Anatomie, Physiologie in Chirurgie und Orthopädie gelernt.
Sie ist der bindegewebige Sack, der die Muskeln umschließt, zusammenhält und von anderen Muskeln oder Gewebeschichten trennt.
Und nie werde ich vergessen, wie eine Faszie aussieht. Gerade hatte ich mein Studium aufgenommen, als im August 1981 Ewald Lienen gefoult wurde und ihm der rechte Oberschenkel bis zur Faszie aufgeschlitzt wurde. Das Bild ging um die Welt.
Faszien sind also nicht neueste Erkenntnisse der Medizinforschung, sondern waren schon seit Jahrzehnten fester Bestandteil in Untersuchung und Behandlung.
So ist es schon verwunderlich, wie in den letzten Jahren die Faszien immer mehr in den Blickpunkt rücken und ihnen wunderliche Dinge wie Fehlfunktionen und sogar Verklebungen diagnostiziert werden.
A.K. Neuburg-Vural hat in der WAZ 8.7.19 dazu einen Beitrag geschrieben, dessen Titel ich mit meiner Überschrift zitiere.
Auffällig ist der Spagat zwischen spezialisierten Ärzten der Unfallchirurgie oder Sportmedizin und Fitnessstudios, Rückenkursen, Trainer und Physiotherapeuten. Letztere führen bereits Behandlungen und Kurse an, während erstere noch an der Definition feilen, insbesondere, weil in den letzten Jahren auch neue Erkenntnisse gewonnen wurden: Faszien sind elastisch und flexibel und enthalten Nerven und Rezeptoren.
Deshalb ist das wachsende Angebot an Trainingskonzepten mit „Faszienrollen“ eine Schimäre. Es gibt kein ausschließliches Faszientraining. Wie sollte das auch gehen?
Schließlich drücken und massieren die verschiedenen Rollen nie die Faszien explizit, sondern das gesamte Gewebe mit Muskeln, Bindegewebe, Venen, Arterien und Lymphbahnen. Und hier kann auch einiges schiefgehen: Schädigung von Venenklappen durch zu hohen Gewebsdruck, Schädigung der Innenwand von Blut- und Lymphgefäßen, Blutungen und Thrombosen. Das gilt ganz besonders für Patienten, die sich selbst behandeln (sollen).
Wenn also überhaupt eine Behandlung notwendig ist, sollte es Bindegewebsbehandlung, Lymphdrainage, Friktion etc. genannt werden und ausschließlich in die Hände von geschulten Physiotherapeuten gelegt werden.
WAZ 8.7.19 A.K.Neuberg-Vural, Foto aus „Die Welt“