Informelles

„Vorsicht vor dem bösen Blick“, die Bedeutung der Arztmimik

18. Mai 2020

Diesen Artikel las ich im Januar und hatte mit den Achseln gezuckt: so what..?
Jetzt ist er mir wieder in die Hände gefallen und nun hat er eine ganz andere Bedeutung für mich!
Worum geht es? 
Um eine Studie (veröffentlicht in „Nature Human Behavior), die sich damit befasst, wie sich die Mimik des Arztes auf das Arzt-Patientengeschehen auswirkt.
Nachgewiesen wurde, dass Patienten weniger Schmerzen und Beschwerden empfinden, wenn der Arzt von der Therapie ebenfalls überzeugt ist.
Und das lesen die Patienten aus der Mimik, hier spiegelt sich die Überzeugung wieder.

L.Chang, Darmouth College, USA mit seinen Mitarbeitern hat einen Test mit 194 Teilnehmern durchgeführt.
Daraus wurden Versuchsreihen gebildet, bei denen Freiwillige entweder „Arzt“ oder „Patient“ spielten.
Den „Ärzten“ wurde ein Experiment erklärt, bei dem es um die Wirkung einer „Schmerzsalbe“ ging. 
Elektroden wurden an den Unterarmen der  „Ärzte“ befestigt und auf 47 Grad erhitzt, was einen Schmerz auslöste.
Dann trug der Studienleiter eine „Schmerzsalbe“ (man nannte sie Thermadol) auf, die aber in Wirklichkeit keine Wirkstoffe enthielt, sie war ein Placebo. Beim nächsten Versuch wurde heimlich die Temperatur heruntergeregelt, die „Ärzte“ nahmen geringeren Schmerz war und verknüpften dies mit der „Wirkung“ der Salbe.
Im nächsten Schritt sollten diese „Ärzte“ das Experiment mit „Patienten“ wiederholen und dabei die Schmerzsalbe in der Wirkung mit einer Kontrollsalbe vergleichen. Aber in beiden Salben war kein Wirkstoff!
Trotzdem empfanden die Patienten die Wirkung von „Thermadol“ eindeutig stärker. Das Ergebnis spiegelte sich im Gesichtsausdruck und in der Hautreaktion. Außerdem bewerteten sie die „Ärzte“ als einfühlsamer, wenn sie „Thermadol“ auftrugen. 
Kameras beobachteten das Experiment und ließen bereits kleinste Veränderungen der Mimik der „Ärzte“ erkennen. Es wurde erfasst, dass bei der Kontrollsalbe (von der die „Ärzte“ annahmen, das kein Wirkstoff enthalten war) der Gesichtsausdruck mehr Schmerz zeigte. Bei „Thermadol“ (die „Ärzte“ nahmen an, hier sei ein Wirkstoff enthalten und sie würde helfen) war die Mimik überzeugender und zuversichtlich.

Der Versuchsaufbau ist in meinen Augen etwas „strange“, aber trotzdem aussagekräftig.

Und tatsächlich empfinde ich es zur Zeit, mit Mund/Nasenmaske und Spuckvisier, auch als extrem schwierig, Patienten Zuversicht zu vermitteln, Ihnen zu zeigen, dass man weiß, worum es bei der Behandlung geht, dass man einen Weg kennt und ihn gemeinsam gehen wird.

 

 

Arzt &Wirtschaft Orthopädie/Rheumatologie, Ausgabe 1, Januar 2020