Informelles

„Und plötzlich macht es Knack“

17. Dezember 2018

Ich wollte schon immer Arzt werden, trotz eines unglaublich schlechten Abiturs: 3,3!  Und immer schon gab es Aufmerksamkeiten von Freunden, etwa der kleine Arztkoffer aus dem Spielwarenladen zum Aufmuntern, vielleicht auch etwas spöttisch. Und auch Ausschnitte aus Zeitungen zur politischen oder wissenschaftlichen Entwicklung der Medizin. Jetzt hat mir einer meiner ganz alten Freunde (nicht er ist alt, sondern die Freundschaft!) einen Bericht aus der ZEIT geschickt, dessen Titel ich übernommen habe.
Es geht um das Vorgehen nach Kreuzbandriss. Und wenn man dem Artikel glauben darf, hat sich der Autor Urs Willman gleich zweimal hintereinander auf der Skipiste zerlegt. Dabei hat er sich erst das rechte-  dann das linke vordere Kreuzband (ACL) zerrissen. 
Diese etwas umständliche Einleitung, weil es der Artikel wert ist, darüber zu schreiben. Der Journalist holte sich Rat und erfuhr, dass es keinen goldenen Weg gibt: operieren, nicht operieren, abwarten und später entscheiden, vermutlich ohne OP, abwarten und später entscheiden, vermutlich doch OP. Und zu guter Letzt war er sich selbst überlassen. 
Dem Artikel war zu entnehmen, dass er älter als 50 war. Weitere wichtige Kriterien fehlten: Ist er Sportler? Wenn ja, welche Sportarten, im Verein? Wie werden seine Knie im normalen Leben oder bei Sport belastet? Wie groß ist er, wie schwer? Hatte er bereits vorher Verletzungen, insbesondere Knieverletzungen? Das alles sollte in eine gute ärztliche Beratung einfließen.
Die Diagnose sei durch orthopädische Untersuchung gestellt worden, dem „Schubladentest“. Das stimmt generell!
Die ärztliche Untersuchung in Verbindung mit dem Zuhören, der Anamnese, sollte bereits die Diagnose mit hoher Sicherheit stellen. Es gibt aber noch mehr Tests: z.B. den Pivot Shift und den von mir daraus entwickelten Bajonettverschlußtest. 
Letztlich kommt man aber nicht an einem MRT vorbei, vor allem auch, weil sich an der Position der gerissenen Stümpfe (ist das Band in der Mitte oder vom Knochen abgerissen?) und an den möglichen weiteren Verletzungen, das „richtige“ Vorgehen orientiert. 
Der Journalist hat den Mittelweg gewählt: das linke Knie wurde operiert, das rechte Knie nicht. Für die Operation wurde am selben Bein eine Sehne entnommen, die durch den aufrechten Gang eigentlich nicht mehr benötigt wird: die Semitendinosussehne (hier stand gerade noch eine völlig andere Sehne der Schulter :-). Meine Tochter hat mich darauf hin gewiesen, ich war wohl in Gedanken bereits ganz woanders). Sie wird mehrfach gedoppelt und in Unterschenkel und Oberschenkel verankert. Es gibt unterschiedliche Verankerungstechniken.
Dann folgt die Rehabilitation.
Meine Einschätzung: Wenn die Operation optimal verläuft, Note 1+, dann ist das erste Drittel getan. Rehabilitation ist das zweite und dritte Drittel!
Nun hat Urs Willmann diese Verletzungen im Rahmen einer Recherche über Tirol erlitten und deshalb war und bleibt die Berufsgenossenschaft zuständig. 
Das ist in sofern wichtig, als dass die behandelten Ärzte nun nicht die Pflicht haben, sich an Budgets zu halten, wie es bei GK (gesetzlich kranken) Versicherten notwendig ist. Physiotherapie kann BG lich nahezu grenzenlos rezeptiert werden.
Ich kann Ihnen aber sagen, dass nach einer ACL OP die Budgets nicht so eng sind. Eigentlich gibt es genug Spielraum, besonders, wenn der Patient mitmacht und im Rahmen der Rehabilitation beginnt, selbst (mit Anleitung) zu trainieren. 
Der Autor beschreibt das monatelange Quälen, typische Komplikationen (Wasser im Knie, Arthrofibrose etc.) , und immer wieder wird er durch die Behandler eingebremst, wenn er sich gerade nahezu gesund fühlte.
Quintessenz des Artikels ist, dass sich beide Knie nach etwa 4 Monaten so anfühlen, dass Urs Willmann kaum abwarten kann, wieder zu joggen. Beide Vorgehensweisen, OP und nicht OP (konservatives Vorgehen) waren gleichermaßen von Erfolg gekrönt. Kein Fall ist mit einem anderen vergleichbar, noch nicht einmal das rechte- mit dem linken Knie.
Das A & O war die Nachsorge und der Wille des Patienten, nie aufzugeben!

Vielen Dank für den Artikel Lola!

 

Aus ZEIT DOCTOR, DIE ZEIT No 35