Informelles

Kasse oder Privat? Ein Essay…

1. Juni 2014

Ich versuche es verständlich zu machen und gebe ein Beispiel:
Ein etwa 50 jähriger gut durchtrainierter Patient in der Marathon Vorbereitung, es werden mittlerweile Laufstrecken von 10 – 15 km absolviert, hat akute Schmerzen in der Lendenwirbelsäule (LWS), die in die Leiste und in den Oberschenkel ausstrahlen. Der Vater hat Hüftgelenkverschleiß und schon ein künstliches Hüftgelenk, der Patient selbst hatte einige Male einen „Hexenschuß“.
Bei der Untersuchung ist die Sensibilität ungestört, es bestehen keine Muskellähmungen und alle Reflexe der Beine sind vorhanden. Die Hüftgelenke sind etwas eingeschränkt drehbar, neben der Wirbelsäule (WS) besteht ein Druckschmerz und die Verbindung zwischen WS und Becken klemmt, es besteht also eine Blockierung des WS/Beckengelenks, das Ileosakralgelenk (ISG).
Im Röntgenbild zeigt sich beginnender Hüftgelekverschleiß und Verschleiß des untersten LWS Segments. Im Ultraschall wird ein Hüftgelenkerguss ausgeschlossen. Bei der Untersuchung der Nervenströme kristallisiert sich heraus: es handelt sich wieder um eine Form des „Hexenschuss“, eine Reizung des Ischiasnerven. Die Hüftgelenke sind nicht Ursache der Beschwerden.
Ich versuche den Patient zu „entblocken“, Laien nennen das „Einrenken“, wg. der Schmerzen nicht möglich und gebe ihm anschließend Spritzen an den untersten Anteil des Ischiasnerven (S1) und in das ISG. Nun wird es erträglich, für den nächsten Tag ist eine Weiterbehandlung vereinbart.
Der Patient war „alles in allem“ knappe 3 Stunden in meiner Praxis.

Mit allen Untersuchungen (Röntgen, Ultraschall…) erhält der Patient eine Rechnung von etwa 280,-€, er ist also ein Privatpatient.

280,-€, das ist soviel, als käme ein Kassenpatient 8 ! Quartale, also 2 Jahre, so oft er will zu mir, 20 mal oder mehr, egal!
Denn für einen Kassenpatienten erhält der Arzt eine „Fallpauschale“ von etwa 30,-€ im Quartal, egal, wie oft er erscheint, mit Röntgen sind es 35,-€. Diese Fallpauschale sinkt aber in den letzten 4 Jahren ständig.
Die Einnahmen aus der Behandlung von Kassenpatienten decken NICHT die Kosten der Praxis (Gehälter, Finanzierungen, Versicherungen, Reparaturen, Strom, Wasser, laufende Kosten).

Das Kassenarztgeschäft ist ruinös!

Gerüchte, Kassenärzte würden betrügen, indem sie Leistungen aufschreiben, die gar nicht erbracht werden, sind lächerlich, weil ohnehin nur die Fallpauschale erstattet wird.

Ohne Private können Kassenpatienten gar nicht behandelt werden, Private finanzieren die Kassenpraxis.
Wenn ich dennoch nicht aufgebe Kassenpatienten zu behandeln, dann weil ich sozial verantwortlich bin und Patienten an dieser Situation unschuldig sind.